Unabhängiges und selbstbestimmtes Bildungsforum
Die Canitzgesellschaft ist eine Vortragsgesellschaft und ein ehrenamtlicher Verein in Berlin. Sie bietet Studentinnen und Studenten ein unabhängiges und selbstbestimmtes Bildungsforum, in dem Themen aus Wissenschaft, Kultur, Politik und Gesellschaft erörtert werden.
Die ehemalig aktiven Studenten und Studentinnen unterstützen als Mitglieder der Canitzgesellschaft die jungen Canitzer. In Berlin-Mitte ist in bester Lage eine wunderbare Altbauwohnung im Haus der Koepjohann´schen Stiftung angemietet, wo ein Teil der jungen Canitzer während ihres Studiums in Berlin wohnen kann und wo in der Regel auch die Veranstaltungen stattfinden.
Während des akademischen Semesters organisieren wir in regelmäßigen Abständen Vorträge, Diskussionsabende und Führungen zu Themen, die uns bewegen. Dabei ermöglichen uns die eingeladenen Referenten einen fruchtbaren Dialog und Gedankenaustausch zwischen Fachkennern und Interessierten.
Wir verstehen uns als akademische Gesellschaft und Freundeskreis mit parteipolitischer und konfessioneller Neutralität. Intellektuelle Neugier, Weltoffenheit und der Mut zum unbequemen Denken bilden unseren Antrieb. Studierende jeder Fachrichtung zählen zu unseren Mitgliedern.
Die Gesellschaft wurde 1875 in Leipzig von Studenten als „Tischgesellschaft“ im „Café Canitz“ gegründet (daher der Name). Das Café war eher eine Kneipe, in einem für die damalige Zeit typischen, üppig dekorierten und getäfelten Kellergewölbe. Nach der Zwangsauflösung im Dritten Reich gründeten einige der alten Leipziger die Canitzgesellschaft im Wintersemester 1957/58 neu, diesmal in Berlin (West). Hier etablierte sie sich schnell als Diskussionsforum verschiedener politischer und gesellschaftlicher Gesinnungen, mit namhaften Referenten – bis zum heutigen Tag.
Ab den 1960er Jahren fanden – zuerst vom Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen, Anfang der 1970er Jahre vom PK gefördert die sog. „Berlin-Seminare“ (auch „Ost- West Seminare“, “Himmelfahrts“- oder „Pfingstseminare“ genannt), Die Berliner Aktiven organisierten praktisch alles, einschließlich anschließender „Canitz-Bälle“ (bis Ende der 60er) und eines aufwendigen touristischen Programms für die oftmals vielen angereisten Aktiven der Tischgesellschaften aus Hamburg, Freiburg, Heidelberg. Bonn, München oder Göttingen.
Zur gleichen Zeit wurde erstmalig in Berlin eine Wohnung, damals in der Konstanzer Straße, gemietet. Wie zu allen Zeiten hatte Berlin in den 1960er und auch noch 1970er Jahren eine ganz eigenartige Stimmung, die etwas mit den immer noch sehr sichtbaren Kriegszerstörungen zu tun hatte.
In den späten 1960er Jahre war die Stimmung unter jungen Leuten und eben auch unter den Canitzern aufgedreht. Studentenproteste gegen die verzopften Universitäten („Unter den Talaren der Staub von tausend Jahren!“), Vietnamkrieg („HoHo HoChiMin“), Polizeiwillkür, Notstandsgesetze und die Forderung nach Abschaffung des § 218 im StGB („Mein Körper gehört mir“) waren immer ein Anlass, auf die Straße zu gehen.
Man trug Jeans und offene Hemden, die Ärmel wurden hochgekrempelt, die Haare auch der Jungs wuchsen ungebremst, der skeptische Blick war die Waffe der Intellektuellen, die sogenannte „sexuelle Revolution“ (die Pille) führte zu bisher kaum gekannter Freizügigkeit. Auf die Themen der Vorträge in der Canitz-Wohnung oder auf Seminaren sollte man sich intensiv vorbereiten. Nicht „Fachleute“ sollten mehr frontal vortragen, sondern in „Gruppenarbeit“, „Plenardiskussionen“ und „Hearings“ wollte man sich die Inhalte erarbeiten.
Ab etwa Mitte der 1960er Jahre wurde es bei den Canitzern üblich, dass Frauen Gäste und auch Mitwirkende an Vortragsabenden u.ä. waren. Mitte der 1960er wohnte die erste Studentin mit in der Canitz-Wohnung . Die ersten Frauen wurden dann offiziell ab dem Wintersemester 1973/74 aufgenommen. Frauen haben seitdem einen ganz entscheidend Beitrag dazu geleistet, dass die Canitzgesellschaft der Zukunft mit Zuversicht entgegensehen kann.
Die 1970er Jahre wurden das Jahrzehnt der Entspannungspolitik, des Ölpreisschocks, der Entwicklungszusammenarbeit und des Umweltschutzes. Ende der 1980er lag etwas in der Luft. Eine Tradition aus den 1960er Jahren wurde wieder aufgenommen, die Planungen für ein Ost-West-Seminar im November 1989 begannen schon ein knappes Jahr vorher. Und dann fand es zwei Wochen nach dem Mauerfall statt.
Die Wiedervereinigung war der Beginn einer neuen Blütezeit für Canitz. Die Attraktivität Berlins als Studienstandort hatte über Nacht massiv an Bedeutung gewonnen. Canitz wurde zu einer gesamtdeutschen Realität.
Das erste Viertel des neuen Jahrtausends war geprägt von Transformation. Ein wesentlicher Bereich ist die Digitalisierung gewesen. Um die Jahrtausendwende hielten die neuen Medien Einzug bei Canitz, 2001 wurde die erste Internetseite geschaffen. Auch eine Facebook und Instagram Präsenz entstanden.
Spätere Generationen werden es kaum noch nachvollziehen können, wie es plötzlich war, als in der Corona-Pandemie ab März 2020 fast gar nichts mehr ging. Nicht einmal privat durften sich größere Gruppen von Menschen mehr treffen. Schulen und Unis dicht, Büroarbeit nur noch von zu Hause, alsbald auch Maskenpflicht usw. Selbst das sonst technologisch so vorsichtige Deutschland stellte innerhalb weniger Tage auf Videokonferenzen um. Das taten mit großer Verve auch die Jungen Canitzer, so dass ab sofort (und für weitere zwei Jahre!) Vortragsveranstaltungen nur noch online stattfanden.




